Von einer Krise in die nächste – so sieht es zumindest derzeit für Arbeitgeber aus. Nach Corona, steigender Inflation (inklusive steigenden Gehältern) und steigenden Energiepreisen kommt zum Fachkräftemangel nun auch noch ein allgemeiner Personenmangel hinzu. Die Machtverhältnisse haben sich damit umgekehrt und Arbeitgeber diktieren Unternehmen ihre Wünsche auf. Nun heißt es für die meisten Firmen schnell (und radikal) zu Handeln, sodass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen motiviert bleiben. Hinzu kommt zusätzlich noch ein Generationenkonflikt, wobei die unterschiedlichen Generationen unterschiedliche Ziele und Wünschen offenbaren. Dies in der Führungsebene zu managen dürfte für die meisten Unternehmen zur Belastungsprobe werden.
Der Gesamteffekt auf uns ist allerdings viel dramatischer als gedacht, sinken doch Qualität und Quantität der Leistung. Dies wird uns oftmals nicht bewusst, wir können es aber oftmals erleben, wenn wir etwas benötigen: Telefonhotlines, Handwerker und vieles mehr. Ein Beitrag, welcher neue Arbeitsformen aufzeigt.
Homeoffice ist gekommen um zu bleiben
War bis vor wenigen Jahren Homeoffice noch ein absolut undenkbares sowie undurchführbares Konstrukt, hat es sich mittlerweile in den meisten Firmen gut etabliert. Das Unmögliche wurde in kurzer Zeit durch einen Virus möglich gemacht, wobei auch hier die Spielregeln noch immer nicht klar sind. Während Arbeitnehmer im Homeoffice meist produktiver sind, haben Arbeitgeber das Gegenteilige Gefühl. Der Mangel an Kontrolle entladet sich durch Überwachung auch noch in Demotivation. Sofern der Job es zulässt, gibt es für Unternehmen allerdings kaum eine Alternative – immerhin bieten bereits 9 von 10 Unternehmen Homeoffice an.
Auch die Frage, ob Homeoffice als ein „Goodie für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“ oder als eine „Einsparung für Unternehmen“ gilt, ist derzeit unklar. Da bereits die Mehrzahl Homeoffice anbietet, wird es langfristig von den Arbeitnehmern sicher nicht mehr als Belohnung, Vertrauensbeweis oder Goodie angesehen. Außerdem wurde durch Homeoffice auch die Distanz zwischen Firmenstandort und Arbeitsstandort verringert, sodass de facto gilt: „Arbeite wo du willst, aber mach deine Arbeit.“
Die Viertagewoche
Ein Fachkräftemangel und ein Personalmangel – so hört man es aus vielen Personalabteilungen. Ewiges Warten auf Bewerbungen – die Attraktivität ist einfach nicht hoch genug. Genau in dieser Situation einerseits die Stammmannschaft bei Laune zu halten und neues Personal anzuwerben ist ein großer Spagat. Während die einen Überstunden leisten und beinahe in der Siebentagewoche verharren, muss man bei Neuausschreibungen beinahe auf eine Viertagewoche setzen. Doch auch hier fehlt noch das grobe Konzept, wobei sich bisher zwei Lösungen durchgesetzt haben.
Einerseits bieten Firmen die Verdichtung auf eine Viertagewoche an. Dies bedeutet, dass die Stundenanzahl flexibel genommen werden kann – egal ob auf vier oder fünf Tage verteilt. Bei dieser Version bleiben Geld und Leistung für Unternehmen auf den ersten Blick gleich, doch so trivial ist dies nicht. Bei einer 40 Stunden Woche mit 8 Stunden täglich bedeutet eine Viertagewoche 10 Stunden pro Tag. Die Leistung bei verlängerter Arbeitszeit reduziert sich dabei eher, wobei meist die Qualität leidet (Artikel: Die Frist – zwischen Qualität und Quantität). Außerdem gibt es bei 10 Stunden kaum eine Option weitere Überstunden zu leisten, wodurch Mehrarbeit oder kurzzeitige Urlaubsvertretungen undenkbar sind. Bei dieser Option wird es noch weitere Anpassungen benötigen um für beide Seiten ein Optimum zu finden.
Die andere Lösung – vor allem für das Anwerben von Fachkräften – ist die Viertagewoche bei gleichem Gehalt und reduzierten Stunden. Viele Unternehmen haben in der Testphase mit einer größeren Umstellung bemerkt, dass meist in vier Tagen genauso viel erledigt werden kann, wie in einer Woche. Die knappen Ressourcen werden anders verteilt und die Motivation der Mitarbeiter ist meist hoch. Derzeit gilt dies als Optimum für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Da derzeit noch wenige Arbeitgeber dies anbieten, herrscht hier teilweise noch eine (zusätzliche) Scheinmotivation, welche eventuell auch schnell verblasst.
Arbeiten für die Pension oder den Aufstieg
Hat man Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen früher für die Pension oder den Stellenaufstieg geködert, wurde dies mittlerweile uninteressant. Die Frage „Wo sehen sie sich in fünf Jahren“ ist nicht mehr Hier und Jetzt bezogen, sondern ein reines Kaffeesudlesen. Durch die vielen Krisen und die mageren Pensionen – selbst für Personen, welche immer gearbeitet haben, ist das Pensionsauskommen keine Motivation mehr. Keiner weiß, ob überhaupt eine Pension gezahlt wird noch ob die Inflation bis dorthin nicht alle Ersparnisse aufgefressen hat. Auch Aufstiegschancen werden immer rarer, wobei Beziehungen und Fehlbesetzungen immer häufiger werden. Erfahrene und langdienende Mitarbeiter schauen hier oftmals durch die Karten und müssen sich neuen externen Führungsebenen unterordnen.
Teilzeit wird deshalb immer begehrter – egal ob man es sich leisten kann oder nicht. Es gilt das aktuelle Leben zu genießen – wenn auch nur vorübergehend. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeiten für Unternehmen, aber gehören diesen nicht mehr an. Auch der Verzicht auf Auto oder Urlaub spielt hier bereits eine große Rolle, da Teile des Geldes eingespart werden können. Doch auch in der Teilzeit gibt es einen hohes Revolutionspotential – immerhin planen bereits Führungskräfte die Option der Teilzeit. Hier soll vor allem auf Jobsharing gesetzt werden, wobei Aufgaben und Verantwortungen klar übertragen werden müssen und es nicht zum Ausspielen der Führungskräfte kommen darf. Die Arbeitswelt dürfte somit schon bald um einiges komplexer werden. Gute und richtige Kommunikation wird dabei zur zentralen Rolle für alle.
Fachkräfte und Personal
So wie in alten Zeiten wird es voraussichtlich nicht mehr: Viele Mitarbeiter zum aussortieren und auswählen – dies war gestern. Gut qualifizierte Fachkräfte wählen den Arbeitgeber und haben meist die stärker Verhandlungsposition. Doch spielen Unternehmen hier mit? Derzeit wird oftmals abgeblockt – mit fatalen Folgen. Durch die vielen offenen Stellen in gewissen Bereichen schränken diese Firmen bereits Dienstleistungen und Angebote ein. Hier wird sich schon bald die Frage stellen müssen, wie konkurrenzfähig es um diese Branchen bestellt ist. Sofern die derzeitig überlasteten Arbeitgeber auch noch Wechseln bedeutet dies das Ende, wobei es zur Verdichtung kommen dürfte. Wenige Marktplayer werden anschließend die Preise stark erhöhen – zumindest dort, wo die Nachfrage gegeben ist. Mit diesen Margen kann anschließend Personal aufgebaut werden, wobei dieser Prozess nicht von heute auf morgen stattfinden wird.
Der Schritt in die Automatisierung und Digitalisierung um Personal einzusparen ist bei vielen Firmen zwar eine Exit Strategie, kann allerdings ebenso nicht den schnellen Wandel kompensieren. Außerdem begibt man sich in beiden Fällen in die nächste Abhängigkeit – den Maschinen. Teures Anlagevermögen, welches auch wieder nur durch Fachpersonal gewartet und programmiert werden kann. Die Umverteilung von Arbeitspersonal auf Maschinen wird deshalb nicht erfolgen und hier wird noch der ein oder andere Lernprozess von Arbeitgebern stattfinden müssen.
Motivation, Wertschätzung und ein hohes Gehalt
Auch wenn viele Arbeitgeber und Meinungsforschungsinstitute es verneinen – das Gehalt spielt einen hohen Anteil. Bessere Bedingungen, echte Wertschätzung sowie ein höheres Gehalt sind die Hauptprioritäten für einen neuen Arbeitsplatz oder der Beibehaltung dessen. Schon das Halten der Arbeitskräfte dürfte hier für viele Arbeitgeber zur Überforderung führen und Extrameilen werden durch Demotivation meist sowieso nur mehr selten gedreht. Druck, Hektik, Belastung und teilweise auch Konsum gehören damit oftmals zur Vergangenheit an und viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen lernen auch das „Nein“ sagen. Nicht ohne Grund haben sich neue Begriffe, wie das Quiet Quitting etabliert. Dies bedeutet, dass die Arbeitsleistung der Bezahlung angepasst wird.
Prozesse und Organisation
All die oben erwähnten Themen sind wichtig und nötig, doch ohne die richtigen Prozesse und der richtigen Organisationsform wird dies nicht klappen. Doch über Jahre gewachsene Organisationsformen aufdröseln und ändern dürfte schwierig werden. Die Fürsorgepflicht muss in den Alltag, die Prozesse und Organisation aufgenommen werden und soll zum Wellbeing beitragen.