Wahrnehmung – Je differenzierter umso besser

Wahrnehmung

Nehmen wir die Welt unterschiedlich wahr oder doch ziemlich ähnlich? Denken wir gleich oder vielleicht auch vollkommen anders? Unser Gehirn ist von Beginn an auf Lernen, Erinnern und Zusammenhänge erkennen spezialisiert. Wahrnehmung ist jedoch so eine Sache für sich.  Weshalb nehmen wir zum Beispiel vieles vollkommen unterschiedlich wahr? Und weshalb (ver)ändern sich unsere Erinnerungen im Nachhinein? Stimmten die Erinnerungen jemals mit der Wirklichkeit überein? Oder findet doch alles nur in unserem Gehirn statt? 

Unser Gehirn nutzt für alles (Denkvorgänge, Erinnerungen, Wahrnehmungen, Sinne) mechanische Konstrukte. Jeder Gedanken beinhaltet eine Menge von dieses Konstrukten und ist somit in sich schlüssig, da jedes Konstrukt alleine erklärbar ist. Doch was, wenn wir auf Unmögliches treffen? Wie versucht unser Gehirn damit umzugehen? Welche Lösungen bietet es an und welchen Weg wird das Gehirn gehen? Gibt es ein Unmöglich für das Gehirn? Auf all diese Fragen und viele mehr versucht dieser Artikel einzugehen. 

Wir nehmen die Welt wahr, wie sie uns gefällt

Schritt eins des Gehirns: Die Welt durch die Sinne und Sinneseindrücke sowie unser Umfeld bestmöglich wahrzunehmen. Was dabei erlebt und wahrgenommen wird und was nicht, entscheidet das Gehirn. Aber sehen wir uns zunächst einmal zwei Beispiele an, wo das Gehirn Konstrukte nützt. 

Beispiele Wahrnehmung

Ein klassisches Beispiel, an welchem unser Gehirn das nächstbeste Konstrukt nutzt, ist die Veränderung auf ungewohnte Tatsachen, welche im Normalfall nicht möglich sein können. Genauso wie optische Täuschungen, können wir uns dem zwar mit verschieden Erklärungen bewusst widersetzen (dem Gehirn einreden), im Alltag davon aber kaum Gebrauch machen. Jedesmal wenn wir ein Bild mit einer optischen Täuschung betrachten, dauert es eine Weile. Zudem machen wir unser Gehirn aktiv darauf aufmerksam: „Hey pass auf, da stimmt was nicht. Finde den Fehler“. In der Realität passiert dies sehr selten, sodass unser Gehirn auf unzählige optische Täuschungen hineinfällt. 

Beispiel: Sie bestellen einen Himbeersaft (Gesagtes, Gedachtes). Sie erwarten ein rotes nach Himbeeren schmeckendes Getränk (Erwartungen). Die Kellnerin bringt Ihnen ein rotes Getränk. (Erwartungsbestätigung, Gesehenes). Sie probieren das Getränk und ihr Geschmack meldet Orangensaft (Geschmecktes). Nun gibt es zwei Arten, wie ihr Gehirn damit gelernt hat, mit solch sich gegenseitig ausschließenden Tatsachen (z.b. roter Orangensaft) umzugehen.

  • Var. A: Ignorieren und überstimmen:
    Das erwartete Getränk wird als solches hingenommen. Dies muss nicht nur bedeuten, dass Ihre Geschmacks-Sensoren ignoriert werden, sondern Ihr Gehirn gaukelt Ihnen sogar den Geschmack von Himbeeren vor. Sie bemerken davon im Normalfall nichts – da sie den Orangensaft für ein Himbeergetränk wahrnehmen. Vielleicht schmeckt er ihnen heute nicht so gut wie sonst immer – aber es ist Himbeersaft. 
  • Var. B: Lernen, Alternativen und Erklärungen suchen, neue mechanische Modelle entwickeln
    Sie reagieren verdutzt und erkennen die Lage (ihr Gehirn meldet einen Fehler). Vielleicht holen sie sich zeitweise eine zweite Meinung ein – etwa um bei der Kellnerin zu Fragen. Lernen, dass vielleicht neuartige nach Orangen schmeckende Himbeeren auf den Markt kamen. Oder sie entwickeln ein Modell mit einem Orangensaft sowie roter Lebensmittelfarbe. In dieser Modellregion finden sich auch sehr oft Kritiker, da sie alles eher hinterfragen und nach Alternativen suchen. 

Lernprozesse oder doch „Gewohntes“?

Fakt jedoch ist, dass unser Gehirn die Sache immer verstehen möchte und gerne Gewohntes und Erklärbares hätte. Wenn dies jedoch nicht der Fall ist, bildet es, je nach unserer Erfahrung, unseren Erlebnissen als auch dem persönlichen Umgang mit Lernprozessen, die nächstmöglich passendste und plausibelste Lösung. Die Plausibilität kommt durch unseren Erfahrungen und unser Wissen zustande. Je mehr über eine Situation, aber auch über Grundlegendes und Neuigkeiten gewusst wird, umso eher kann unser Gehirn die richtige Lösung finden. Allerdings ist dies schier unmöglich. 

Dies ist auch der Grund, weshalb wir nicht immer alles wahr nehmen. Wahrheit und Wirklichkeit sind demnach nicht dasselbe. Manches wird uns vom Gehirn logisch vorgespielt oder einfach hingenommen. Würden sie einen schwebenden Sessel ohne Beine im Alltagstrott bemerken? Oder würden sie ihm überhaupt so viel Aufmerksamkeit schenken aktiv hinzusehen, ob zum Beispiel unter der Tischdecke Beine sind? Wahrscheinlich nicht, denn ihr Gehirn weiß, dass ein Tisch nur mit Standbein(en) stehen kann. Er wird nicht schweben. Und wenn muss ein Trick dahinter sein. Je mehr Tricks sie kennen, desto eher entdecken sie ihn. Ansonsten würden sie den Laden verlassen und sagen, dass der Tisch auf Beinen gestanden ist. Ohne jedoch die Wahrheit (in dem Fall Wirklichkeit) gen6au gekannt zu haben. Nur ihr Gehirn hat es ihnen eingeredet. 

Konfliktreich in die Zukunft

Durch diese Eigenschaft ergeben sich im sozialen Leben allerdings ebenso eine Vielzahl an potenziellen Konflikten.  Es hat doch jeder die Welt in sekundenschnelle anders wahrgenommen. Und noch viel schlimmer: Die Wirklichkeit hat keiner davon erlebt. Die Wirklichkeit müsste gemessen werden – mit allen Faktoren. Dies ist unmöglich. Also wird das Gehirn das Beste aus ihren Sinnen machen. Je mehr sie Wissen und je größer ihr Schatz an Erfahrungen ist, umso genauer und differenzierter werden sie die Welt erleben. Und dies ist doch auch der Sinn: Eigenes Leben, eigene Sicht der Dinge, eigene Wahrnehmung, eigene Persönlichkeit und auch eigene Wirklichkeit. 

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