Das Marktrisiko, auch als Marktpreisrisiko bekannt, ist ein zentrales Konzept im Finanzwesen. Es beschreibt die Gefahr, dass sich der Wert eines Vermögenswerts aufgrund von Veränderungen in den Marktbedingungen negativ entwickelt. Diese Art von Risiko betrifft nicht nur einzelne Finanzinstrumente, sondern kann sich auf ganze Portfolios auswirken. Im Folgenden werden wir die verschiedenen Aspekte des Marktrisikos detailliert beleuchten, einschließlich seiner Arten, Ursachen und Methoden zur Risikobewältigung.
Neben Kreditrisiken, operationelle Risiken gibt es auch Preisrisiken. Meist werden diese auch unter Marktrisiken oder Marktpreisrisiken zusammengefasst. Doch was wird eigentlich genau unter Marktrisiko verstanden? Was zählt alles zu den Risiken auf den Markt und welche andere Risiken gibt es eventuell noch? Wenn du dich über eine Vielzahl von Risiken sowie der Definition informieren willst empfehle ich dir vorab den Artikel Risiko und Risikomanagement. Solltest du dich eher für Banken interessieren wäre der Artikel Risikomanagement für Banken empfehlenswert.
Arten von Marktrisiko
Marktrisiken stellen eine eigenen Risikokategorie für Banken dar. Dabei beschreiben Marktrisiken (auch Preisrisiken genannt) die adverse Veränderung von zukünftigen Marktpreisen von Vermögenswerten über eine Zeitperiode. Der Begriff Vermögenswerte beinhaltet einerseits einzelne Finanztitel als auch ein ganzes Portfolio. Die gängigsten Finanztitel bezogen auf Marktrisiken sind dabei:
- Zinstitel
- Aktien
- Futures
- Optionen
- Swaps
Durch diese Anzahl an Titel ergeben sich auch eine Anzahl an Risiken. Aus einem Zinstitel entsteht das Zinsänderungsrisiko, aus einem Aktientitel das Aktienkursrisiko. Betreffend den oben erwähnten Finanztitel treten dadurch nachfolgende Risiken (auch in Kombination) auf:
- Zinsänderungsrisiko
- Aktienkursrisiko
- Fremdwährungsrisiko
- Rohstoffrisiko
- Spreadrisiko
- Konzentrationsrisiko
- Illiquiditätsrisiko
- Immobilienrisiko
Arten von Marktrisiko knapp und kurz erklärt
Marktrisiken lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, die jeweils spezifische Ursachen und Auswirkungen haben:
- Aktienkursrisiko: Dieses Risiko bezieht sich auf die Möglichkeit, dass die Preise von Aktien fallen. Es kann durch Marktvolatilität und wirtschaftliche Unsicherheiten verursacht werden.
- Zinsrisiko: Veränderungen der Zinssätze können den Wert von Anleihen und anderen festverzinslichen Wertpapieren beeinflussen. Ein Anstieg der Zinssätze führt in der Regel zu einem Wertverlust dieser Instrumente.
- Währungsrisiko: Schwankungen in den Wechselkursen können den Wert von Anlagen in Fremdwährungen beeinflussen. Dies ist besonders relevant für international tätige Unternehmen und Investoren.
- Rohstoffrisiko: Die Preise von Rohstoffen wie Öl, Gas und Edelmetallen können stark schwanken, was zu erheblichen Risiken für Unternehmen führt, die auf diese Ressourcen angewiesen sind.
- Kreditrisiko: Obwohl es oft als separate Kategorie betrachtet wird, kann das Kreditrisiko auch als eine Form des Marktrisikos angesehen werden, da die Kreditspreads (der Unterschied zwischen den Zinssätzen für risikofreie und risikobehaftete Kredite) stark von den Marktbedingungen abhängen.
Messung des Risikos bei Banken anhand des Marktrisikos
Die Messung des Marktrisikos erfolgt bei Banken unter Verwendung des internen Modells mit dem VaR (Value at Risk) oder dem Expected Shortfall. Beide, VaR als auch ES, sind downside Risikomaße. Dies bedeutet, sie konzentrieren sich nur auf die negative Auswirkung des Risikos (die downside). Für die Berechnung des Risikos unter Verwendung der Risikomaße VaR als auch ES benötigt es neben den Daten über einen gewissen Zeitraum zudem ein Wahrscheinlichkeitsniveau (Alpha) sowie einen Zeithorizont.
Die Definition des VaR geschieht über die allgemeine Quantildefinition– wobei hier auf das untere Quantil spezifiziert wird. Die Berechnung des VaR besagt, dass die möglicherweise eintretenden Verluste höchsten gleich dem VaR beziehungswiese mindestens 1-Alpha sind. Dies bedeutet im Gegenschluss, dass die in Betracht kommenden Verluste höher als der VaR höchstens Alpha entsprechen. Zusammengefasst kann vereinfacht gesagt werden, dass der VaR derjenigen Verlusthöhe entspricht, welche nur mit einer Wahrscheinlichkeit von Alpha überschritten wird.
Der VaR besitzt allerdings eine zentrale Schwäche: Lediglich die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Verlustes über eine kritische Grenze wird berücksichtigt, nicht allerdings die Höhe bei einem Überschreiten. Dadurch können im letzten Ende der Verteilung extrem riskante Strategien gefahren werden, welche Unternehmen (hier speziell Banken) in der Existenz gefährden. Der Wert des zuvor angesprochenen Signifikanzniveaus kann durch ein angestrebtes Rating festgelegt werden.
Expected Shortfall
Ein besseres Risikomaß mit aufwendiger Berechnung ist der Expected Shortfall. Dabei entspricht dieser dem Durchschnitt aller VaR Werte. Kurz gesagt bildet der ES den durchschnittlichen Verlust in den ungünstigsten Fällen (bei Überschreiten des VaR) ab. Bei einem gleichen Signifikanzniveau weist der ES zumindest die gleiche – meist allerdings eine Höhere – Verlusthöhe aus als der VaR. Aus diesem Grund wird ein VaR von 99% auch mit einem ES mit einem Wahrscheinlichkeitsniveau von 97,5% ersetzt, sodass ein annähernd gleiches Verhältnis entsteht. Die Umstellung erfolgt aufgrund der Schwächen des VaR – bei einem ES können keine extrem riskanten Strategien versteckt werden.
Duration
Die Duration ist eine der wichtigsten Kennzahlen (Sensitivitätskennzahl) im Anlagengeschäft. Die Duration drückt die durchschnittliche Bindungsdauer eines Vermögenswertes (etwa einer Anleihe) aus. Wenn die ersten Cash Flows bereits früh anfallen, so sinkt der Wert der Duration. Auch ein steigender Zinssatz bewirkt ein Fallen der Duration. Die Duration besitzt die Einheit Jahre.
Fallende Duration (geringere Anzahl an Jahren) bei:
- frühen Cash Flows
- steigender Zinssatz
Die Duration ist zudem der Zeitpunkt, bei welchem der Kurswert nicht auf Veränderungen des Geld- und Kapitalmarktes (GKM) reagiert. Allerdings gilt dies nur bei einer einmaligen und anfänglichen Zinsänderung, welche sofort nach der Berechnung auftritt. Zudem müssen die Kuponzahlungen wiederveranlagt werden, es darf keine Transaktionskosten noch Steuern geben und es muss eine flache Zinsstrukturkurve vorherrschen. Nur in diesem konkreten Fall ist die Zinsänderung immunisiert. Ansonsten bedarf es laufende Anpassungen damit der Planungshorizont des Kunden (oder einer Bank) mit der Duration übereinstimmt.
Immunisierung des Zinsänderungsrisikos
Eine Immunisierung des Zinsänderungsrisikos ist aufgrund von gegenläufigen Auswirkungen gegeben. Ein Zinsanstieg führt zu einer Abwertung der Anleihe, wodurch der Barwert der Anleihe geringer wird. Andererseits kann durch Reinvestition (zukünftige Zahlungen werden höher verzinst) der Wert gesteigert werden, wodurch der Endwert steigt. Problematisch an der Berechnung ist die Konvexität des Zinsniveaus(kein lineares Zinsniveau), wobei Wertänderungen unter- (Wertzuwachs bei sinkenden Zinsniveau) bzw. überschätzt (Wertverlust bei steigendem Zinsniveau) werden.
Modifizierte Duration
Um die relative Veränderung eines Kurses eine Anleihe in Abhängigkeit einer Marktzinsniveränderung berechnen zu können, benötigt es die modifizierte Duration. Die modifizierte Duration besagt, um wie viel Prozent sich der Anleihekurs ändert, wenn sich das Marktzinsniveau um 1% ändert. Die modifizierte Duration berechnet sich aus der Duration dividiert durch (1+r).
$latex modifizierte Duration = \frac{Duration}{1+r} $Key Rate Duration
Mit Hilfe der Key Rate Duration wird die Annahme der flachen Zinsstrukturkurve (notwendig zur Berechnung der Duration) verworfen bzw. abgeschwächt. Allerdings ist der Aufwand für die Berechnung deutlich höher, sodass meist approximativ auf die Duration zurückgegriffen wird. Jedoch wird im wissenschaftlichen Bereich die Key Rate Duration der praktisch einfachen Duration vorgezogen. Der hohe Aufwand plus das nötige Wissen können allerdings nicht immer den Mehrwert kompensieren.
Die Key Rate Duration misst die Dauer eines Wertpapieres zu einem bestimmten Zeitpunkt entlang der gesamten Renditekurve. Wenn die Laufzeit konstant gehalten wird, kann die Key Rate Duration dazu genutzt werden, um die Sensitivität des Anleihenpreises gegenüber einer Renditeänderung von 1% zu bestimmen.
Spotmarkt
Spotzinssätze sind Renditen von Zerobonds. Spotzinssätze werden auch Kassazinssätze genannt. Durch das ziehen der Wurzel, können auch Zerobonds mit höhere Laufzeit herangezogen werden, um den Kassazins zu berechnen.
Marktpreis
Der Marktpreis eines festverzinslichen Wertpapieres ist definiert durch den Barwert aller zukünftigen Zahlungen. Der Barwert wird durch abzinsen über den Zeitraum erlangt.
Absicherung von Preisrisiken und Marktrisiken
Die Absicherung von Marktrisiken geschieht über Zinsderivate, Zinsswaps oder Zinsfutures. Ein Zinsderivat wäre ein Forward Rate Agreement (FRA). Dies legt eine künftige Verzinsung eines Nominalvolumens zu einem festen Zinssatz über eine feste Laufzeit ab einem bestimmten Zeitpunkt fest. Dabei ist ein FRA ein außerbörsliches Zinstermingeschäft. Ein FRA 6×12 beschreibt eine Vorlaufzeit von 6 Monaten und einen Anlagezeitraum von ebenso 6 Monaten (Monat 6 – bis Monat 12). Das Agreement wird allerdings bereits zum heutigen Stichtag über eine gewisse Höhe und einen Zinssatz festgelegt. Bei einem Zinsswap (ebenso ein Zinsderivat) tauschen Vertragsparteien hingegen meist fixe gegen variable Zinsen.
Dabei orientiert sich der variable Zinssatz ein einen Referenzzinssatz (z.B. dem Interbankenzinssatz EURIBOR). Zinsfutures hingegen werden nicht außerbörslich gehandelt und eignen sich zur Absicherung aufgrund von unterschiedlichen Laufzeiten und Faktoren nicht optimal. Meist reagieren Zinsfutures unterschiedlich auf Zinsänderungen, wodurch schlussendlich das Zinsänderungsrisiko nicht gehedged (abgesichert) werden kann.
Ursachen des Marktrisikos
Marktrisiken können durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden, darunter:
- Wirtschaftliche Indikatoren: Arbeitslosenzahlen, BIP-Wachstum und Inflationsraten können die Marktstimmung erheblich beeinflussen.
- Politische Ereignisse: Wahlen, politische Instabilität und regulatorische Veränderungen können Unsicherheiten erzeugen und die Marktpreise beeinflussen.
- Globale Ereignisse: Naturkatastrophen, Pandemien und geopolitische Spannungen haben oft weitreichende Auswirkungen auf die Finanzmärkte.
Methoden zur Risikobewältigung
Die effektive Bewältigung von Marktrisiken erfordert eine Kombination aus präventiven und reaktiven Strategien. Zu den gängigsten Methoden gehören:
- Diversifikation: Durch die Streuung von Investitionen über verschiedene Vermögenswerte und Märkte kann das Gesamtrisiko reduziert werden.
- Hedging: Der Einsatz von Derivaten wie Futures, Optionen und Swaps kann helfen, sich gegen negative Preisbewegungen abzusichern.
- Risikomodelle: Quantitative Modelle wie Value at Risk (VaR) und Expected Shortfall (ES) werden verwendet, um das potenzielle Verlustrisiko zu quantifizieren und besser zu managen.
- Stress-Tests: Durch die Simulation extremer Marktbedingungen können Unternehmen ihre Risikotragfähigkeit überprüfen und geeignete Maßnahmen zur Risikominderung entwickeln.
Fallstudien und Praxisbeispiele Marktrisiko
Ein praxisnaher Ansatz zur Veranschaulichung von Marktrisiken und deren Management sind Fallstudien. Zum Beispiel:
- Die Finanzkrise 2008: Diese Krise zeigte deutlich die Auswirkungen von Kredit- und Marktrisiken auf die globalen Finanzmärkte. Viele Banken und Finanzinstitute mussten aufgrund unzureichender Risikomanagementpraktiken massive Verluste hinnehmen.
- Die COVID-19-Pandemie: Die Pandemie führte zu erheblichen Marktvolatilitäten und stellte Unternehmen vor neue Herausforderungen im Risikomanagement. Die schnelle Anpassung an die sich verändernden Marktbedingungen war entscheidend für das Überleben vieler Unternehmen.
Ausblick und zukünftige Entwicklungen Marktrisiko
Die fortschreitende Digitalisierung und die zunehmende Komplexität der Finanzmärkte stellen das Risikomanagement vor neue Herausforderungen. Zukünftige Entwicklungen könnten beinhalten:
- Künstliche Intelligenz und Machine Learning: Diese Technologien könnten eine präzisere Vorhersage und Bewältigung von Marktrisiken ermöglichen.
- Regulatorische Änderungen: Die Anpassung an neue regulatorische Anforderungen wird weiterhin eine wichtige Rolle im Risikomanagement spielen.
- Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien: Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren werden zunehmend in das Risikomanagement einbezogen, um langfristige Stabilität und nachhaltiges Wachstum zu fördern.
Fazit zum Marktrisiko
Marktrisiko ist ein komplexes und vielschichtiges Thema, das sorgfältige Analyse und Management erfordert. Durch eine Kombination aus Diversifikation, Hedging und fortschrittlichen Risikomodellen können Unternehmen ihre Exponierung gegenüber Marktrisiken effektiv steuern und ihre finanzielle Stabilität sichern.